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Daimyo Jackson

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Double bezeichnet Missbrauchsdoku als „reine Geschäftemacherei“


Der King of Pop ist wegen der Vorwürfe des Kindesmissbrauchs in Verruf geraten. Daimyo Jackson, eines seiner bekanntesten Doubles, macht trotzdem weiter. Er glaubt, „es wird eine Gegenbewegung kommen“.

Vier Jahrzehnte Erfahrung mit dem Moonwalk: Daimyo Jackson aus Kalkar am Niederrhein Vier Jahrzehnte Erfahrung mit dem Moonwalk: Daimyo Jackson aus Kalkar am Niederrhein
Vier Jahrzehnte Erfahrung mit dem Moonwalk: Daimyo Jackson aus Kalkar am Niederrhein
Quelle: Silvia Reimann
Daimyo Jackson erscheint mit Verspätung zum Gespräch in einem Businesshotel an einer Landstraße in Moers am Niederrhein. Im typischen Michael-Jackson-Outfit (rote Jacke, schwarze Hose, Pilotensonnenbrille) steigt er aus dem Wagen. Es ist Dienstagmittag vergangener Woche. Daimyo kommt direkt aus der gut 100 Kilometer entfernten Gemeinde Best in der Nähe von Eindhoven.

Dort hatte am Morgen eine McDonald’s-Filiale für Aufsehen gesorgt, weil sie eine vor dem Geschäft aufragende Michael-Jackson-Gedenkstatue entfernen ließ. Kunden hatten sich beschwert – sie wollten ihre Burger nicht mehr in unmittelbarer Nähe des selbst ernannten King of Pop essen. Ein örtlicher Radiosender bat Daimyo Jackson kurzfristig zu einem Interview vor Ort. Für ein Michael-Jackson-Double ist das ein Pflichttermin.

Daimyo Jackson, geboren im südamerikanischen Surinam, einer früheren niederländischen Kolonie, heute zu Hause im niederrheinischen Kalkar, ist unter den Hunderten von Michael-Jackson-Doubles, die es auf der Welt gibt, eines der erfolgreichsten, wenn nicht das erfolgreichste. Dem Radiosender sagte er am Morgen: „Wenn man jetzt alle Michael-Jackson-Statuen abreißt, müsste man auch alle katholischen Kirchen abreißen.“ Danach sei das Interview schlagartig beendet gewesen.

Seit der US-Sender HBO Anfang März die Dokumentation „Leaving Neverland“ ausgestrahlt hat, ist der 2009 gestorbene Pop-Superstar Michael Jackson wieder allgegenwärtig. Die Doku, die soeben auf ProSieben zu sehen war, handelt vom Vorwurf des Kindesmissbrauchs, mit dem sich der Sänger schon zu Lebzeiten konfrontiert sah. 2003 angeklagt, sprach ihn ein Geschworenengericht 2005 frei.

Die Doku kreist um zwei mittlerweile 36- und 40-jährige Männer, die nun, 14 Jahre nach dem Urteil, behaupten, als Kinder von Michael Jackson sexuell missbraucht worden zu sein. Schon der 2005 beendete Prozess war davon überschattet, dass Zeugen der Lüge überführt wurden. Und auch dieses Mal ist die Lage offenbar nicht so klar, wie der Film glauben machen möchte. Regisseur Dan Reed hat kürzlich Fehler in der Datierung des Missbrauchs eingeräumt. Fest steht: Der Name Michael Jackson schockiert und elektrisiert. Die Bonner Bundeskunsthalle geriet unter erheblichen Rechtfertigungsdruck, als sie Ende März die Ausstellung „Michael Jackson: Off the wall“ eröffnete.

Auf dem Dachboden hat er tanzen geübt

Auf die Frage, dass es sicher leichtere Zeiten für ihn als Double gegeben habe, erwidert Daimyo Jackson, dass mit der Story Millionen gemacht würden. „Das ist die reine Geschäftemacherei. Ich bin mir sicher, es wird eine Gegenbewegung kommen, und dann wird Michael Jackson größer sein als jemals zuvor.“

Daimyo Jacksons Werdegang gibt einen Einblick, wie schräg und voltenreich die Welt des Entertainments ist. Wie reich sie an Fiktionen ist, selbst an den Rändern, wo sich die Doubles der Stars tummeln – und die Chance wittern, selbst zu Stars zu werden. Daimyo Jackson wuchs in den Niederlanden auf. 1981, als er sich noch schlicht Daimyo nannte, landete er bei einem Lookalike-Wettbewerb in Tilburg als Michael-Jackson-Double auf Platz drei. Jahrelang übte er auf dem Dachboden seines Elternhauses, wie Michael Jackson zu tanzen. Er investierte viele Gulden in Kostüme, um sich wie sein Vorbild zu kleiden. Im Jahr 1984 hatte der gelernte Elektriker endlich Michael Jacksons Moonwalk und die einschlägigen Moves drauf: das Zucken mit Schultern, Händen, dem ganzen Körper.

Doku entfacht Missbrauchsvorwürfe gegen Michael Jackson neu
Zehn Jahre nach dem Tod Michael Jacksons gerät der Superstar erneut in die Schlagzeilen. In einem Dokumentarfilm erheben Männer, die als Kinder auf der Neverland Ranch mit ihm lebten, schwere Vorwürfe wegen Kindesmissbrauchs.
„Von da an habe ich jedes Jahr 250 Shows gemacht“, erzählt er beim Gespräch in der Hotelbar. Und es kam noch besser: Er lernte Joseph Jackson kennen, Michaels Vater. „Er war in Holland, sah ein Plakat von mir, das für meine Show als Double warb, und sagte: Der Junge sieht aus wie mein Michael. Der muss Jackson heißen.“ Prompt marschierte Daimyo zum Gemeindeamt. Seitdem steht in seinem Pass der Nachname Jackson. Und seitdem gilt Daimyo Jackson als das einzige von der Jackson-Familie offiziell akzeptierte Michael-Jackson-Double.

Die Double-Karriere nahm Fahrt auf. Als 1987 Michael Jacksons Album „Bad“ erschien, wollte der Sänger keine Werbung machen. „Der Ticketverkauf für die Tour lief nicht gut. Also engagierte der Sponsor Pepsi mich für die Werbung. Ich flog mit der Crew und trat an zig Orten als Michael Jackson auf.“ Einmal, in Rotterdam, hätten ihm hysterische Fans Jacke und Hose vom Leib gerissen, bis auf die Unterhose hätten sie ihn ausgezogen. „Ich bin nicht der echte Michael!“, habe er geschrien. „Die Fans brüllten: Doch, du bist es!“ Ein anderes Mal habe ihm eine Frau ehrfürchtig die Hand geküsst. „Da musste ich weinen – denn es war ja ein solcher Bluff.“ In München ist er Michael Jackson persönlich begegnet. „Er bedankte sich bei mir für meine Auftritte. Ich sagte ihm, ich hätte es gerne gemacht.“

Die Fans ziehen ihn an den Haaren

In insgesamt 60 Ländern sei er bis heute gewesen. Gesehen hat er von diesen Ländern so gut wie nichts – weil er sich jedes Mal im Hotel verbarrikadieren musste, um nicht den Fans in die Hände zu fallen. 80 Prozent seiner Auftritte habe er allerdings in Deutschland, sagt er. Deshalb zog er von den Niederlanden erst nach Bad Honnef und 2017 nach Kalkar, wegen der Nähe zu seiner in den Niederlanden lebenden Mutter. Er hat nun vier Jahrzehnte Erfahrung mit den Bewegungen, dem Outfit und der Musik von Michael Jackson, noch immer tritt er im Schnitt einmal pro Woche als Mister Moonwalk auf. Er ist etwas fülliger geworden, aber die Moves hat er noch drauf. Auch sind seine Haare noch so schwarz und lockig wie einst bei Michael. „Nur Wasser und Gel“, sagt er. „Und sie sind echt. Manche Fans ziehen daran, weil sie denken, es sei Fake.“

Hat Daimyo jemals daran gedacht, sein Gesicht kosmetisch korrigieren zu lassen, so wie Michael? Er verneint. Seine Lieblingssongs? „Speed Demon und Who is it.“ Wie viel von ihm Michael Jackson ist und wie viel er selbst? Und da nimmt das Gespräch eine interessante Wendung, das Double betont nun seine Eigenständigkeit: „Ich bin nicht Michael Jackson“, sagt Daimyo. „Ich gebe mich natürlich, anders als andere Doubles. Und im Übrigen performe ich nicht nur Songs von Michael, ich singe auch meine eigenen.“

Gemeinsam mit dem amerikanischen Autor und Aktivisten Marc Daniels engagiert er sich für die Kampagne „Weed out hate“, frei übersetzt: Reiß das Unkraut des Hasses heraus. Daimyo Jackson hat einen gleichnamigen Song aufgenommen und eine CD produziert. Motto: „Fight for a better world!“ Marc Daniels ist ein gut vernetzter Mann und tourt durch die USA, um seine Anti-Hass-Kampagne bekannt zu machen.

Daimyo erzählt, es sehe im Moment ganz gut aus, dass er den Wahlkampfsong der demokratischen Bewerberin um das US-Präsidentenamt, Elisabeth Warren, singen könne. Seine Managerin sei an der Sache dran. Das wäre eine Volte, wie sie nur die Welt des Entertainmentgeschäfts möglich macht: Gestartet als Double des King of Pop, emanzipiert sich Daimyo Jackson von seinem Vorbild und findet ausgerechnet in dem Land, das Jackson nun den Prozess macht, zu sich selbst.

Wer weiß, vielleicht ist dann irgendwann erneut ein Gang zum Gemeindeamt fällig. Und Daimyo Jackson wird wieder der, der er mal war: Daimyo.

Zum Abschied, nach dem Gespräch, reicht er eine Tüte mit Sonnenblumensamen, Symbol der Hoffnung. „Friedenssamen“ steht auf der Tüte. Er steht auf, stellt sich kurz auf die Zehenspitzen, deutet einmal den Moonwalk an und zuckt dazu drei, vier Mal mit dem Oberkörper. Bewegungen, die in Sekundenbruchteilen den originalen Michael heraufbeschwören, den schrillen, schillernden, ewig rätselhaften Kosmos des King of Pop. Im nächsten Moment sitzt Daimyo Jackson in seinem schwarzen BMW und zischt davon.

Written by Daimyo

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